Tafel 9 | Altersheim Parc

Vom Ruf durch Weltkriege zum Lebensabend

«Stockalper vom Thurm» hiess die von Josef Blaesi aus dem Oberwallis eingeheiratete Frau. Ein Name mit Klang und Ruf. Deshalb beschmückte der Josef sein 1912 erbautes Parkhotel mit einem Doppelnamen. Nach der Übersiedlung aus dem Wallis hierher prägte die Familie die touristische Entwicklung markant. Dazu gehörte ein neues Hotel, das 1913 hätte eröffnet werden sollen, wenn nicht ein Brand das Dachgeschoss zerstört hätte. Der Erste Weltkrieg machte der verschobenen Eröffnung 1915 einen Strich durch die Rechnung. Aber damals wurde die Schweizer Regierung zu einem guten Kunden, als sie in den Hotels internierte ausländische Soldaten unterbrachte. Der frühe Tod der Ehefrau des Hoteliers führte zum Wechsel der Hotelleitung an Luzi Brunold. 1924 logierten hier der österreichische Schriftsteller Hugo von Hoffmannstahl und der Schweizer Diplomat Carl Jacob Burckhardt. Seit 1982 befindet sich das Haus im Besitze der Gemeinde Vaz/Obervaz und ermöglicht Seniorinnen und Senioren einen gemütlichen Lebensabend.

1912 erbaute Professor Josef Blaesi das beeindruckende Parkhotel am nördlichen Eingang zur Lenzerheide. Es hob sich durch seinen Winkelgrundriss, die Arkaden und den bis zur Dachmitte turmartig emporragenden Steinerker mit geschwungenem Dach von den übrigen Gebäuden ab.

Während andere Hoteliers in ihren Werbeinseraten nur den eigenen Familiennamen verwendeten, erwähnte Josef Blaesi ausdrücklich auch den ledigen Namen seiner Frau Anna Franziska. Sie war eine Angehörige der illustren Oberwalliser Familie von Stockalper vom Thurm. Ihr Vater Ferdinand von Stockalper war langjähriger Hauptmann im Dienst des Papstes gewesen. Josef Blaesi hatte die Baronin von Stockalper während seiner Unterrichtstätigkeit im Oberwallis kennen gelernt. Dort wurden auch die beiden Söhne Ferdinand und Alexander geboren, die ihre ersten Lebensjahre im Stockalperpalast verbrachten.

Die Familie Blaesi besass selbst einige Güter im Raum Dieschen. Wie andere Obervazer Familien befassten sich auch Josef Blaesi und seine ledigen Brüder Nicolaus und Gaudenz mit der Frage, wie auch sie an der Entwicklung im Tourismusgeschäft teilhaben könnten. Schliesslich kam man überein, mit vereinten Kräften ein Hotel auf der Lenzerheide zu bauen. Ob für die Finanzierung auch Mittel aus der Erbschaft von Franziska von Stockalper verwendet wurden (ihr Vater starb 1909), kann nicht nachgewiesen werden. Sicher ist aber, dass zur Erbmasse einige Möbelstücke aus dem Stockalperpalast gehörten, die für die Innenausstattung des Hotels verwendet wurden. Mit der Installation einer Warmwasserheizung wurde das Luzerner Unternehmen Moeri & Cie. beauftragt, wie aus der Schweizerischen Technikerzeitung zu entnehmen ist.

Die Inbetriebnahme war für Weihnachten 1913 vorgesehen. Allerdings verhinderte ein Brand im Dachgeschoss die Eröffnung des Hotels, wie der Graubündner General-Anzeiger am 27. Dezember berichtete. Der Dachstock musste komplett erneuert werden, was die Eröffnung auf Anfang 1915 hinausschob. Da unterdessen aber der Erste Weltkrieg ausgebrochen war, blieben die Gäste aus. Glücklicherweise verfügte der Bundesrat, aber die Unterbringung von internierten ausländischen Soldaten in Schweizer Hotels. Auch das Parkhotel kam zum Zug und beherbergte eine Zeit lang deutsche, österreichische und ungarische Soldaten. Diese bundessubventionierte Unterbringung half manchen Hotels, während den Kriegsjahren über die Runden zu kommen.

Nach dem Krieg hoffte man auf einen Wiederaufschwung des Sommer- und Winter-tourismus. Auch im Parkhotel Lenzerheide. Dieser wurde jedoch vom frühen Tod von Anna Franziska Blaesi-von Stockalper überschattet. Josef Blaesi sah sich gezwungen, die Leitung des Hotels abzugeben. Neuer Pächter wurde Luzi Brunold. 1924 logierten hier der österreichische Schriftsteller Hugo von Hoffmannsthal und der Schweizer Diplomat Carl Jacob Burckhardt. Nachdem Luzi Brunold das benachbarte Gasthaus am Marktplatz (von ihm zu Hotel Danis umbenannt) erworben hatte, übernahm Eugen Rüegger als neuer Pächter das Hotel.

1930, zu Beginn der Weltwirtschaftskrise, erweiterte Prof. Blaesi das Hotel um sechs Betten sowie einigen Gesellschaftsräumen. Trotz des bestehenden Hotelbauverbots erhielt er die Baubewilligung. 1931 setzte auch in der Schweiz ein steiler Niedergang der Wirtschaftsleistung ein und im Tourismus blieben die Gäste aus. Am 1. Mai 1932 wurde Prof. Blaesi laut dem Bund eine Nachlassstundung gewährt. Wegen der wirtschaftlichen Stagnation, die dem Tiefpunkt von 1932 folgte, blieb die finanzielle Situation für viele Hotelbetriebe angespannt. 1936 musste Prof. Blaesi das Parkhotel verkaufen. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits in zweiter Ehe mit Bertha Widmer verheiratet und hatte neben den beiden Söhnen aus erster Ehe eine Tochter und zwei weitere Söhne, Walter und Roland, die in Fünfzigerjahren internationale Erfolge im alpinen Skisport feiern durften.

Neuer Eigentümer des Parkhotels wurde der bisherige Pächter Eugen Rüegger. Neben seiner Tätigkeit als Hotelier setzte er sich auch für den Bau des Skilifts Tgantieni-Scalottas ein. 1941 wurde er Verwaltungsrat der Skilift AG Lenzerheide. Diese war zum Zweck der „Aktivierung, Hebung und Förderung des Wintersportverkehrs durch Erstellung und Betrieb von Sportbahnen im Skigebiet Lenzerheide“ gegründet worden.
Da die notwendige Modernisierung und Neuausrichtung des Parkhotels in den 1970er-Jahren ausblieb, wurde der Hotelbetrieb eingestellt. Was sollte nun aus dem leerstehenden markanten Gebäude am Dorfeingang werden? Da sich die Gemeinde Vaz/ Obervaz seit längerem mit Ideen für ein Altersheim auf der Lenzerheide befasste, anerbot sich das Parkhotel als idealer Standort: im Dorf gelegen, aber trotzdem etwas abseits der Hauptstrasse und geschützt durch den Wald. 1982 erwarb die Gemeinde Vaz/Obervaz das Gebäude, unterzog es einer umfassenden Renovation unter Wahrung der ursprünglichen Gebäudehülle und stattete es mit den Erfordernissen einer modernen Alterspflege aus. Im Jahr 2000 wurde das Altersheim durch einen Neubau mit 14 Betten erweitert. Heute bietet das Haus Platz für 35 Bewohnerinnen und Bewohner in Einzel- und Doppelzimmern.

Kultur in Lenzerheide