Tafel 1 | Postplatz

Von römischen Sandalen zum Postauto

Genau hier marschierten römische Soldaten von der Lombardei nach Chur vorbei. Später weideten ebenso in dieser Gegend zwischen Mai und Herbst Kühe und Ziegen und die Bauern aus Obervaz bewirtschafteten ihre Maiensässe. Doch, was ist eigentlich ein Maiensäss und warum suchten Stadtmenschen ausgerechnet hier oben ihre Erholung?

Die Lenzerheide war eine römische Heeresstrasse und ein viel benutzter Saumpfad, der über den Septimer von der Lombardei nach Rätien führte. Die Passlandschaft bildete die Gras- und Heukammer der Obervazer Bauern. Entlang der Strasse und leicht erhöht am Hang bauten diese allmählich ihre Maiensässe. Die Bauernfamilien zogen im Frühjahr mit Vieh und Hausrat in ihre Aclas (Maiensässhäuser). Der Reisende stiess auf stattliche, anspruchsvolle Bergweiler, in Gruppen von 4 bis zu 8 Betrieben versammelt und jeweils 500 – 900 Meter voneinander entfernt.
Die Aclas standen unweit der eingezäunten Wiesen und waren aus Holz von Tannen, Föhren und Arven gebaut. Inmitten ihrer Heuwiesen und Weiden hielten sich die Bauern vorwiegend von Mai bis in den Herbst auf, soweit nicht die Bestellung der Äcker zur Selbstversorgung die Rückkehr ins Dorf verlangte. Im Winter waren die Maiensässe unbewohnt. Die Stammsiedlungen Lain, Muldain und Zorten waren eine zusammenhängende Ackerlandschaft. Der untere Weg nach Zorten und der obere nach Lain waren lediglich mit schmalen Karren befahrbar, sie verbanden die Siedlungen mit den Maiensässen. Der gemächliche Bauernalltag auf der Heide wurde einzig vom Saum- und Postkutschenverkehr sowie vom jährlichen Obervazer-Heide-Markt belebt.

Der Bau der Kommerzialstrasse über den Julier ins Engadin führte nach 1840 zu Veränderungen in den Maiensässweilern. Paul Caspar Hartmann richtete in seiner Acla die Postablage ein. 1854 baute Anton Lenz-Dosch am nördlichen Waldrand das Wirtshaus am Marktplatz. Doktor Luzius Brügger-Jochberg, später leitender Arzt des Kreuzspitals in Chur, verbrachte seit den 1850er Jahren mit seiner Frau den Sommer in Fadail und setzte sich energisch für das Aufblühen der Lenzerheide ein. In- und ausländische Botaniker und Zoologen suchten in der noch unberührten Landschaft nach seltenen Pflanzen und Insekten. So auch der Kantonsschullehrer Christian Brügger aus Churwalden, Bruder von Dr. Luzius Brügger-Jochberg.
In den 1870er Jahren wurden erste Schritte für den Fremdenverkehr eingeleitet. Die 1874 eröffnete Heidsennerei verkaufte Ziegenmolke für Molkenkuren und im Waldhof fanden erste „Kuranten“ Unterkunft. 1879 kaufte Joachim Cantieni-Parpan die unrentable Sennerei und baute sie in ein kleines Gasthaus mit 30 Betten um. Die Eröffnung des ersten Hotels Kurhaus am Johannistag 1882 auf der Lenzerheide gilt als Geburtsstunde des Kurortes. Nach dem frühen Tod von Joachim Cantieni wurde sein Sohn Leonhard zur prägenden Gestalt im jungen Kurort. Die wilde Heide wurde zu einem vielbesuchten sommerlichen Aufenthaltsort erholungsbedürftiger Stadtmenschen. Zu den bescheidenen Gasthäusern gesellten sich stattliche Hotelbauten mit Gartenanlagen. Immer mehr Bewohner der Stammdörfer verlegten ihren Wohnsitz aufs Maiensäss.

Als der Postkutschenverkehr über den Pass wegen der Eröffnung der Eisenbahnlinie ins Engadin einbrach, wurde die Heide auf Initiative der Kurhauspioniere zum Wintersportplatz. Der erste allgemeine Ski-Kurs der Schweiz im Januar 1903 machte die idealen Hänge der Westflanke als Skigebiet allerersten Ranges bekannt. Wer noch mehr erfahren will, erhält im Ortsmuseum in Zorten umfassenden Einblick in die wechselvolle Geschichte der Lenzerheide. Dort und bei LMS sind auch lokalhistorische Dokumentationen zur Gemeinde Vaz/Obervaz, zu der die Lenzerheide gehört, erhältlich.

Kultur in Lenzerheide